Verproviantierung von Yachten für Langfahrt

Daß die Eßgewohnheiten den verschiedensten Vorlieben und Einflüssen unterliegen, wissen wir nicht erst seit BSE. Bei der Bordverpflegung muß man jedoch mit kühlem Kopf und ohne gefühlsmäßige Betrachtung an seine gute und vollwertige Ernährung denken. Die Erhaltung der physischen Leistungsfähigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer Langfahrt. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluß des Essens als Genuß, Spaß, Beschäftigung und Unterhaltung auf die Stimmung an Bord. Das Buch "Der Koch ist Kapitän" gibt da wertvolle und humorvolle Hinweise.

Den Spruch "ich mag das aber nicht", sollte man sich verkneifen, andererseits sollte man seiner Crew nicht einen Fraß vorsetzen, der jeden Spaß am Essen wegnimmt. Es ist auch nicht einfach, einen normalen Fleischesser, einen Vegetarier, einen Juden und einen Moslem in der Crew mitzunehmen. Es geht allerdings auch da, wenn man sich ehrlich versteht, wir segelten 1 Jahr mit einer Vegetarierin durchs Mittelmehr und segelten mit einem Juden über den Atlantik. Wir sind heute noch Freunde!

Mit einem Eskimo, einem aus der Altstadt von Jerusalem und einem körnerfressenden Grünen möchte ich diese Erfahrung nicht unbedingt machen. Also keine zu großen Unterschiede in eine Crew einbauen.

Die folgenden Informationen sind bruchstückhafte Hinweise und ersetzen nicht eine genaue Auseinandersetzung mit der Problematik. Ich übernehme keinerlei Verantwortung für Vollständigkeit, Richtigkeit oder Erfolg. Viele genannte Begriffe müßten noch im einzelnen erklärt werden, z.B. warum kein Eskimo.

Doch jetzt zum Detail:

1. Zusammensetzung der Verpflegung 

Hochseesegeln ist Schwerarbeit und selbst in den Tropen ist der Kalorienbedarf hoch. Selbst leichter Seegang bewegt alle Muskeln und das 24 Std. durchgehend. Muskelkater ist nicht selten. Deshalb bereits vorher sich fit machen. Man sollte entsprechend dem Wachsystem bis zu 5 Mahlzeiten vorsehen. Snacks und die kleine Mahlzeit für Zwischendurch sind nur fürs Werbefernsehen gut. Verdauungsprobleme sind auf See noch schlimmer als an Land. Gute schmackhafte Mischmahlzeiten mit Fleisch, Gemüse/Salate und Beilagen (Kartoffeln/Nudeln/Reis etc.) ergeben eine gute Verdauung und leichten Stuhlgang. Diese Bordverpflegung bereits vor dem Auslaufen antesten. Wer schon 4 Tage nicht konnte und dann noch Hämorrhoiden hat, sollte nicht auslaufen. Lieber viel als zu wenig trinken, nur sollte es nicht nur Schnaps sein.

2. Mahlzeiten, Küchenplan

Man sollte sich die Mühe machen, einen Speiseplan aufzustellen und dabei alle Zutaten einzeln aufzuführen. Dabei sind Lieblingsgerichte, Festtagsgerichte, Schwerwettergerichte, Krankenkost usw. genau vorzusehen. Der Speiseplan sollte länger sein als die voraussichtliche Reisedauer, denn gerade bei Überschreitung der Planungszeit muß das Essen gut sein und nicht eine Notverpflegung. Das Essen ist für die Psyche und Stimmung sehr wichtig.

3. Mengenansatz

Jetzt kommt ein schwieriger Punkt. Bei der Marine hatten wir Speisepläne, die hinsichtlich Menge, Gehalt und Kalorien vom Schiffsarzt genehmigt sein mußten. Besorgt man sich solche Listen, oder Unterlagen der Marineversorgungsschule in List/Sylt, bekommt man gute Planungsunterlagen. 

Wieviel ist eine gute Fleisch/Fisch-Mahlzeit in Gramm? Wieviel Gramm Marmelade/Honig zum Frühstück? Wieviel Gramm Beilagen?

Hat man diese Zahlen geht es ans Multiplizieren:

z.B. Fleisch ohne Knochen100 g, Kotelett ab 150 g, Nudelgericht 100 g, Nudelbeilage 80 g, Reis 50 g. Milch, Butter, Margarine, Brotaufstrich, speziell das Frühstück fällt sehr unterschiedlich pro Person aus, andere Mahlzeiten sind mehr Standard und einfacher anzusetzen.

4 .Haltbarmachung

Zu "Großmutterszeiten" - also vor der ständigen Verfügbarkeit von zuverlässiger (Tief)Kühlung - war ein umfangreiches Wissen über Haltbarkeit und Haltbarmachung noch allgemein bekannt. Durch mein Aufwachsen auf einem Bauernhof habe ich da noch viel praktisch mitbekommen. Die Hausfrauen konnten auch alle Lebensmittel noch einordnen, ob gut, genießbar oder verdorben. Das Lesen von Haltbarkeitsdaten ist nutzlos. Sie wußten wie die Haltbarkeit verlängert wird und beherrschten die verschiedenen Techniken des Einpökelns, Einlegens und Einweckens. Das Räuchern spielt für den Seemann leider keine große Rolle, er kann aber geräucherte Produkte einkaufen. damit fangen die Probleme aber bereits an. Imprägnierpökelung mit "chemischem" Rauchgeschmack ist an Bord untauglich. Also: die teuren, kalt geräucherten Schinken und Würste kaufen. In einigen südlichen Ländern gibt es da prima Produkte. Wegen der Hitze in den Tropen hält sich gepökeltes Fleisch nur begrenzt und muß immer per Geruch getestet werden. Die Lake "steht zuerst um", das Fleisch kann dann noch einmal eingesalzen werden, oder man braucht es auf. Über das Pökeln gibt es spezielle Bücher, aber überschlägig: die Hälfte Gewicht als Salz, dazu Knoblauch, Pfeffer und Wacholderbeeren und das abgetrocknete Fleisch dicht in einen Tontopf legen und mit abgekühltem gut abgekochtem Wasser übergießen. Das ist eine einfache und schmackhafte Methode. 

Noch 3 Methoden:

Fleisch, z.B. Schnitzel mit Olivenöl, Pfeffer, Knoblauch und Zwiebeln in einem Tupperbehälter einlegen. Gekühlt bis 5 Tage haltbar.

Rinderbraten oder Stallhase mit Gewürzen in Rotwein einlegen.

Rinderbraten in Essig mit Gewürzen einlegen (Sauerbraten).

(Gewürze=z.B. Pfeffer, Knoblauch, Zwiebel, Lorbeer, Wacholder wegen der ätherischen antiseptischen Bestandteile reichlich verwenden)

Frisch gefangene Fische, z.B. Gelbflossenthun mit Limonensaft in ganz dünnen Scheiben beizen und roh essen.

Sonst den Fisch z.B. Goldmakrele (dolphin fish, Mahi Mahi) filetieren und 24 Std. kühl < 7° C lagern. Dann erst zubereiten. Übrig gebliebener gebratener Fisch kann gut in der restlichen Salatsoße noch einmal 24 Std. eingelegt werden.

Große Filetstücke können auch in der Luft und Sonne getrocknet werden. Für wenige Tage geht das sogar ohne Salzen und der gewässerte Fisch schmeckt wieder wie frisch.

Fleisch anbraten und dann einwecken. Etwas aufwendige Methode, wenn aber sauber und sorgfältig gearbeitet wird, hält der Braten 3 bis 4 Wochen. Wenn beim Öffnen Einweckgläser kein Vakuum mehr haben, oder Fleisch- und Wurstkonserven unter Druck stehen (eventuell auch ohne Geruch) unbedingt sofort entsorgen. Gefahr von Botulismus, hoch toxisch. (Botulismus-Serum)

Sauberkeit in der Kombüse ist oberstes Gebot. Eine Lebensmittelvergiftung kann man sich auf See nicht leisten. Wie bei "Mann über Bord" muß der Fall vermieden werden und nicht die Gegenmaßnahme geübt werden. Was Schimmel, Fäulnis, Salmonellen etc. sind und was sie anrichten können, muß zumindest einem an Bord klar sein, besser dem Skipper und dem Bordsanitäter.

Corned beef in Dosen ist ein Allerweltszeug für den Seemann. Es ist haltbar, es gibt viele Rezepte und überraschenden Besuch zum Abendessen gibt es dann auch nicht, der Smut kann immer ein Gericht zaubern.

Eier einfetten oder auch nicht, dann in 3/4/5/viele Lagen in eine Steige packen und einen Zettel mit der Ziff. 1 obenauf und eine 2 unten drunter. Mit Band mit Klettverschluß umwickeln. Die Steige muß jeden Tag gewendet werden. Das Datum, gerade oder ungerade, vermeidet, daß ein "williger Helfer" noch einmal wendet. So bleibt die Eierhaut feucht und dicht gegen Erreger. Die schmecken auch nach 5 Wochen noch in den Tropen. Beim Öffnen aber trotzdem immer ein Ei zum Testen in eine Tasse und dann erst zusammengeben und nach 2-3 Wochen nicht als 3-Minuten Ei servieren, sondern immer durchgegart.

Obst und Gemüse luftig, druckfrei und dunkel lagern. Vor allem Obst rationieren und zuteilen. Nur einer darf an die Vorräte gehen und ist verantwortlich.

Netze als Hängematte, oder in Zeitungspapier in einer Gemüsekiste lagern.

Alles, vor allem Zwiebeln und Kartons auf Kakerlaken prüfen, bevor an Deck oder gar unter Deck gestaut wird.

Keine gekühlten Frischwaren (Obst/Gemüse) kaufen. Nur auf dem Bauernmarkt in der Sonne einkaufen.

Verpackte Trockenlebensmittel wie Linsen, Erbsen, Mehl, Zucker, Reis zusätzlich in Plastiktüten verpacken, damit Schädlinge nicht übertragen werden. z.B. Mehlwürmer, diverse Maden etc. Angebrochene Packungen in runde Tupperbehälter schütten, das sind die besten Behälter an Bord.

Butter, Margarine, Speiseöl in Dosen kaufen. Bei Konserven auf echte Vollkonserven achten. Frische Butter nur gesalzen kaufen, angebrochene Packung salzen.

Käse in ganzen Laiben kaufen, am besten mit intakter Wachsschicht oder starker Rinde. Käserinde mit Salz putzen und nachsalzen. Anschnitte mit gesalzener Butter bestreichen und stark salzen. Dann mit Folie bedecken.

Getränke

Wasser rechtzeitig dort bunkern, wo es gut ist und auch schmeckt. Mit Certesil oder Micropur haltbar machen und nur den kleinsten Tank dann gegebenenfalls mit einem schlechteren Wasser auffüllen. Wein gibt es auch in annehmbarer Qualität in 1 l Packungen, à 10 Stück in Schrumpffolie sehr gut staubar. Gleiches gilt für Mineralwasser und Säfte.

3 und 5 l Weinkartons mit Hahn und Innenfolie sind an Bord auch sehr gut, denn es kommt keine Luft an den Wein. Die leeren Foliensäcke sind ohne Karton sehr gut zum Befüllen mit Wasser für den Notbehälter (Weithalskanister).

5. Verpflegungswirtschaft

Listen anlegen mit Mengen und Lagerort. Nur der/die Verpflegungsbeauftragte entnimmt und streicht ab. Leckereien usw. streng rationieren, sonst sind nach wenigen Tagen der gute Käse, der Schinken und die Schokolade "weggefressen".

6. Brot

Brotrezepte zu Hause ausprobieren und an Bord in der Morgenwache (4-8 Uhr) backen. Das ist Unterhaltung für den Wachgänger und findet zur kühlsten Zeit statt. Bei Spitzbergentörns abends backen, bevor alle in die Koje gehen. Zusätzliche Wärme beim abendlichen "Socialising". 

7. Süßigkeiten 

      nur für bestimmte highlights und als Kraftnahrung bei Schlechtwetter vorsehen und rationieren. Knabberzeugs und solche unsinnige Nahrung weglassen, gibt nur Probleme mit der Verdauung. Salzstangen und Cola jedoch für Seekranke vorrätig halten.

8. Kostenplanung, Einkaufsplanung

In großen Hafenstädten gibt es Schiffsausrüster, die Listen der lieferbaren Waren haben. Das sind erstens geeignete Lebensmittel und zweitens stimmen die Preise, außerdem wird angeliefert. Dann noch einmal restliche Waren im Supermarkt einkaufen und am Tag vor dem Auslaufen zum Frischmarkt gehen. Reist man für längere Zeit und durch mehrere Länder, empfiehlt es sich gezielt in den Ländern das einkaufen, was billig ist und das dann lagern (horten). Hat man genug Lagerraum kann man sogar Geschäfte machen. Wer zu wenig Lagerraum hat, besitzt sicher einen schnellen Yoghurtbecher einer bekannten Werft, die auch Charterflotten beliefert und hat offensichtlich das falsche Schiff für Langfahrt.

     Dieser Beitrag ist von Karl Reichart       http://www.sy-arion.de

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